Sich selbst ein guter Freund sein

Ich kann mich überhaupt nicht mehr leiden, nichts klappt mehr so wie früher.

Eine chronische Schmerzerkrankung verändert Vieles im Leben. Dinge, die früher selbstverständlich waren und leicht von der Hand gingen, stellen jetzt manchmal eine schier unüberwindliche Hürde dar. Auch Hobbys und schöne Aktivitäten finden immer seltener statt. Das kann zu großer Frustration und Ärger führen – über den Schmerz, über die ganze Lebenssituation und über sich selbst.

Das Selbstwertgefühl rutscht immer weiter in den Keller, viele Betroffene fühlen sich nutzlos oder als Belastung für andere. Manche fragen  sich auch, womit sie das bloß verdient haben.

Gerade dann ist es besonders wichtig, sich selbst gegenüber freundlich zu sein und sich etwas Gutes zu tun!

Doch was bedeutet es eigentlich, sich selbst ein guter Freund zu sein und gut für sich zu sorgen?

Eine hilfreiche Frage, die Sie  sich selbst stellen können, lautet: Was würden Sie einem Menschen, der Ihnen am Herzen liegt, in einer solchen Situation raten? Wie würden Sie mit ihm umgehen, was zu ihm sagen? Bestimmt würden Sie ihm Mut machen, ihn trösten, ihn vielleicht von trübsinnigen Gedanken ablenken wollen, ihn aufheitern, dafür sorgen, dass er sich wohlfühlen kann. Und nun überlegen Sie, wie Sie in Situationen, in denen es Ihnen schlecht geht, über sich selbst denken, zu sich selbst sprechen, wie sie ihren Körper behandeln…

Dieses Gedankenspiel soll verdeutlichen, wie sehr die Art und Weise, wie wir innerlich mit uns selbst sprechen, die eigenen Gefühle, Gedanken und auch unseren Umgang mit uns selbst beeinflusst. Gerade in einer Situation, in der es uns schlecht geht, ziehen uns Selbstvorwürfe und Selbstbeschimpfungen noch weiter hinunter und verhindern, dass wir unsere persönlichen Bedürfnisse und Grenzen respektieren. Dabei ist es besonders in diesen Momenten wichtig und entlastend, sich selbst Verständnis entgegenzubringen. Die eigenen Gedanken und Gefühle anzuerkennen und sich etwas Zeit zu geben, schafft neuen Raum, den Blick zu weiten und wieder nach vorne schauen zu können.

Ebenso wichtig ist der achtsame Umgang mit dem eigenen Körper. Je liebevoller Sie sich Ihrem Körper zuwenden, desto deutlicher werden Sie bemerken, welche Bedürfnisse er Ihnen signalisiert. Betrachten Sie ihn als Weggefährten, der Sie Ihr Leben lang begleitet und der Fürsorge und Wertschätzung verdient hat – mit allen Mängeln, die Sie vielleicht beklagen mögen. So fällt es Ihnen möglicherweise leichter, das, was Ihr Kopf will, mit dem, was Ihr Körper mitmacht, in Einklang zu bringen.

Seien Sie sich selbst ein guter Freund!


Anregungen für Sie zu Hause

  • Berücksichtigen Sie Ihre eigenen Bedürfnisse und Ihre Schmerzen: Bringen Sie sich selbst Mitgefühl entgegen ("ja, ich habe es gerade nicht leicht") und richten Sie immer wieder den Blick darauf, was Sie selbst Ihrem Körper und Ihrer Seele Gutes tun können, z.B. ein kleiner Genussmoment bei einer Tasse Kaffee oder ein Sonnenbad auf einer Parkbank.
  • Vergleichen Sie sich nicht mit früher, denn dieser Vergleich ist unfair! Erkennen Sie an, dass Sie schon alleine mit dem Organisieren Ihres Lebens unter der Schmerzbelastung viel leisten.
  • Setzen Sie sich selbst nicht mit einem ständigen „Muss“ unter Druck! Hinterfragen und überlegen Sie, wie wichtig Ihnen etwas ist und ob Sie bereit sind, im Moment die nötige Energie und Anstrengung zu investieren.
  • Achten Sie auch auf Ihre Wortwahl: „Ich muss heute noch die Fenster putzen“ (stimmt das wirklich?) - oder „ich möchte heute noch Fenster putzen“. Bemerken Sie den Unterschied?
  • Besinnen Sie sich besonders auf Ihre persönlichen Stärken und Fähigkeiten, die Ihnen nun im Umgang mit der Schmerzerkrankung gute Dienste leisten können. Was schätzen Ihre Freunde oder andere nahestehende Menschen an Ihnen?
  • Erlauben Sie sich, Hilfe anzunehmen oder darum zu bitten, z.B. bei einzelnen Handgriffen, durch Verwenden von Hilfsmitteln oder eine neue Arbeitsaufteilung zu Hause. So machen Sie Ihre Grenzen deutlich und können sich umso gezielter wichtigen Aufgaben widmen.
  • Würdigen Sie selbst kleine Erfolgserlebnisse und Fortschritte: Machen Sie sich jeden Schritt, den Sie geschafft haben, noch einmal bewusst und loben Sie sich dafür!
  • Gönnen Sie sich, auch wenn Sie noch nicht mit sich zufrieden sind, Zeit für angenehme Dinge. Behandeln Sie sich selbst unabhängig von Ihrer Leistung als wertvollen Menschen!