Zur Ruhe kommen

Entspannen? - Ach, wäre das schön, wenn ich das könnte! Seitdem ich Schmerzen habe, komme ich überhaupt nicht mehr richtig zur Ruhe.

Wann waren Sie das letzte Mal so richtig entspannt? Sie spüren ein wohliges Gefühl, vielleicht eine angenehme Schwere und Wärme in den Gliedern, die Muskeln lassen locker, Gedanken kommen und gehen wieder, der Kopf ist plötzlich ganz frei und leicht. Einfach loslassen.

Menschen mit einer chronischen Schmerzstörung können allerdings ein Lied davon singen, wie schwer es sein kann, in einen entspannten Zustand zu finden. Dabei ist Entspannung etwas ganz Wesentliches. Der menschliche Organismus ist auf den Wechsel von Anspannung und Entspannung, Anstrengung und Erholung ausgelegt. Nur wenn beides stattfindet und langfristig im Gleichgewicht ist, können Körper und Seele gesund bleiben.

Für diese Balance ist das sogenannte „vegetative Nervensystem“ zuständig. Das ist der Teil unseres Nervensystems, der alle automatisch ablaufenden Körperfunktonen steuert, wie z. B. Atmung, Herzschlag und Verdauung. Das autonome Nervensystem hat dabei zwei Anteile, die sich gegenseitig ergänzen.

→ Der Sympathikus sorgt für Leistungsbereitschaft und die schnelle Anpassung der Körperreaktionen in Belastungs- und Bedrohungssituationen. In der Urzeit bereitete er den Menschen darauf vor, zu kämpfen oder zu fliehen (z. B. durch Bereitstellung von Energie, Erhöhung der Muskelspannung). Auch akute Schmerzen lösen im Nervensystem ein Warnsignal aus: „Achtung - Gefahr!“

→ Der Parasympathikus ist als Gegenspieler des Sympathikus für Entspannung, Regenerations- und Heilungsprozesse zuständig. Außerdem unterstützt er Verdauungs- und andere Stoffwechselprozesse des Körpers.

Was passiert bei chronischen Schmerzen?

Beständige oder immer wiederkehrende Schmerzen setzen den Organismus in eine Art Dauer-Alarmbereitschaft. Der Sympathikus bekommt ein Übergewicht zu Lasten des Parasympathikus. Unser Körper reagiert mit vielen unterschiedlichen Symptomen: u.a. kann es zu einer andauernd erhöhten Muskelspannung kommen, die sich in Verspannungen und Verkrampfungen äußern kann. Das Herz-Kreislaufsystem wird belastet, die Blutgefäße verengen sich, Bluthochdruck oder Durchblutungsstörungen sind die Folge. Innere Unruhe, Verdauungsprobleme, Schlafstörungen und Erschöpfung können die Folge sein.

Was tun?

Ein wichtiger Ansatzpunkt besteht darin, als Gegengewicht gegen den Dauer-Alarmzustand ganz bewusst den Parasympathikus zu stärken und Entspannung zu fördern. Alles, was Ihnen hilft, ein wenig mehr Ruhe in Ihren Alltag zu bringen, sich zu erholen, abzuschalten und sich Auszeiten zu erlauben, bringt Sie ein Stück näher in Richtung einer gesunden Balance. Ein starker Parasympathikus sorgt für Erholung und Regeneration und stärkt Ihr körpereigenes Schmerzhemmsystem (siehe Kapitel „Einleitung“)

Besonders wirkungsvoll sind aktive Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung oder das Autogene Training. Diese wissenschaftlich belegten Techniken lassen sich leicht erlernen und bringen Körper und Geist gezielt in einen entspannten Zustand.

Daneben ist es wichtig, dafür zu sorgen, dass genügend erholsame Momente in Ihrem Leben stattfinden. Welche Aktivitäten tun Ihnen gut, bringen Sie zur Ruhe, lassen Sie ganz im Moment versinken? Ein gutes Buch lesen, Musik hören, Handarbeiten, Gartengestaltung, Spaziergänge, mit der Katze schmusen … die Möglichkeiten sind vielfältig und ganz individuell. Auch moderater Ausdauersport, wie z.B. ein flotter Spaziergang, Nordic Walking oder zügiges Schwimmen, hilft Stress abzubauen und Anspannung zu reduzieren.


Anregungen für Sie zu Hause

  • Erlernen Sie ein Entspannungsverfahren: Hierfür gibt es zahlreiche Kurs - Angebote, sei es bei Ihrer Krankenkasse, in der VHS oder bei niedergelassenen Psychotherapeuten. Am bekanntesten sind die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson (PMR), das Autogene Training (AT), Qi-Gong oder Yoga. Wählen Sie sich aus der Vielfalt der Angebote eine Methode aus, die Sie am meisten anspricht. Entscheidend ist nicht, für welche Methode Sie sich entscheiden, sondern, dass Sie diese gut einüben und regelmäßig praktizieren.
  • Suchen Sie sich einen Platz zu Hause, an dem Sie möglichst ungestört üben können; evtl. sind Absprachen mit Familienangehörigen / Mitbewohnern im Vorfeld notwendig. Planen Sie sich feste Übungszeiten in Ihren Tagesablauf ein.
  • Geben Sie sich und Ihrem Körper Zeit, in eine Entspannung hineinzukommen, und haben Sie Geduld mit sich selbst!
  • Gehen Sie die Entspannungsübung ohne feste Erfolgserwartung an. Wie bei anderen Dingen, die Sie schon erlernt haben (z.B. das Fahrradfahren oder eine Fremdsprache), wird sich die erwünschte Wirkung mit zunehmender Übung nach und nach einstellen.
  • Beachten und wertschätzen Sie auch kleine Fortschritte!
  • Planen Sie in Ihre Arbeitsabläufe kleine Erholungspausen ein - vielleicht kombiniert mit einer kleinen Dehnungs- oder Achtsamkeitsübung.
  • Überprüfen und überdenken Sie Ihre Aufgabenpläne. Ist die Verteilung innerhalb des Tages/ der Woche ausgewogen? Ist Ihr Plan realistisch und machbar? Oder planen Sie sich von vornherein zu viel ein - so dass Stress und Überlastung vorprogrammiert sind? Was können Sie streichen oder abgeben?