Die Schmerzen annehmen

Ich will, dass die Schmerzen endlich aufhören! Es muss doch einen Arzt geben, der mich heilt. Mit Schmerzen kann ich einfach kein zufriedenes Leben führen!

Kommen Ihnen diese Gedanken bekannt vor? Dann haben Sie etwas mit vielen anderen Menschen gemeinsam, die mit hartnäckigen Schmerzen leben. Der Schmerz steht Ihnen oft im Wege. Es ist daher nur allzu verständlich, dass Sie Ihre Schmerzen am liebsten los wären! Aber ist es auch realistisch? Und gibt es außer dem Kampf gegen den Schmerz auch einen anderen Weg, gut mit den Schmerzen umzugehen?

Manche Menschen mit chronischen Schmerzen halten lange an der Hoffnung fest, dass irgendwer doch eine Ursache für die Schmerzen finden und sie heilen kann – obwohl wiederholte Diagnostik bisher keine wegweisenden Befunde erbracht hat: „Das Wichtigste für mich ist, dass der Schmerz beseitigt wird“. Sie gehen von Arzt zu Arzt – doch die Hoffnung auf Heilung wird leider immer wieder enttäuscht. Andere wichtige Lebensbereiche rücken bei diesem Kampf oft in den Hintergrund. Nicht selten beginnen Betroffene dann, an sich selbst zu zweifeln: „Ich bilde mir den Schmerz doch nicht ein!“.

Andere Betroffene versuchen sich gegen den Schmerz zu wehren, im dem sie versuchen, ihm nach bester Möglichkeit aus dem Weg zu gehen. Sie brechen Aktivitäten sofort ab oder beginnen diese gar nicht erst, wenn sie mit Schmerzen verbunden sein könnten: „Das Wichtigste für mich ist, keine Schmerzen zu erleben.“ Das bedeutet dann oft den Verzicht auf Vieles, was einem wichtig ist.

Beide Arten, mit dem Schmerz umzugehen, sind völlig verständliche Reaktionen. Und doch sind beide meist mit einem hohen Preis verbunden: Wenn das Bemühen, den Schmerz zu besiegen oder ihn zu vermeiden das Leben bestimmt, wird das Leben meist ärmer. Vieles, was das eigene Leben wertvoll macht, steht hinter dem Kampf mit den Schmerzen zurück. Dabei ist den Betroffenen vielfach gar nicht bewusst, dass sich ihr Leiden am Schmerz dadurch vielleicht sogar noch vergrößert. Der Kampf gegen die Schmerzen kann mit der Zeit ganz schön zermürbend sein.

Aber gibt es nicht vielleicht auch eine andere Möglichkeit, mit hartnäckigen Schmerzen umzugehen?  Tatsächlich stellen Menschen, die mit chronischen Schmerzen leben müssen, oft fest, wie entlastend es sein kann, ihren als aussichtslos empfundenen Kampf gegen den Schmerz zu beenden und sich stattdessen darauf zu konzentrieren, sich möglichst gut an ihre Einschränkungen anzupassen. Wer sich weniger unter Druck setzt, dass der Schmerz weg muss oder nicht auftreten darf, sondern dem Schmerz einen Platz im eigenen Leben einräumt, findet meist leichter hilfreiche Lösungen für seinen Alltag. Und es kann ein Weg in eine „neue Normalität“ entstehen. Den Kampf gegen den Schmerz zu beenden heißt eben nicht, aufzugeben und zu resignieren! Es bedeutet, Energie zu sparen und diese sinnvoll einzusetzen für die Gestaltung des eigenen Lebens.

Gib mir die Gelassenheit, Dinge anzunehmen, die ich nicht ändern kann; gib mir den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann; und gib mir die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.

Friedrich Chr. Oettinger


Anregungen und Übungen für Sie zu Hause

  • Impulsfragen zur Schmerzakzeptanz
    • Was habe ich bisher getan, um meine Schmerzen zu besiegen oder unter Kontrolle zu bringen?
    • Was hat das bisher gebracht?
    • Welche meiner Versuche, mit den Schmerzen zurechtzukommen, haben mir bisher geholfen, dass sich mein Leben wertvoller und lebendiger anfühlt?
    • Was ist in meinem Leben gut - trotz der Schmerzen?
    • Welche anderen Menschen kenne ich (im persönlichen Umfeld, im TV, Film oder Roman), die es schaffen, ihr Schicksal anzunehmen und ein erfülltes Leben zu führen?
    • Woran würden Andere merken, dass ich meine Schmerzen völlig angenommen hätte, ohne mit ihnen zu hadern und ohne zu resignieren?
  • Bildkarte "Gelassenheitscredo" zum Ausdrucken