Informationen für Angehörige

Haben Sie einen Angehörigen oder nahestanden Menschen mit chronischen Schmerzen? Dann sind Sie wahrscheinlich selbst auch mitbetroffen von diesem Gesundheitsproblem. Denn eine chronische Schmerzerkrankung beeinflusst möglicherweise auch Ihre Aktivitäten und Lebensplanung, die Partnerschaft und die Familie.

Vielleicht fragen Sie sich, wie Sie sinnvoll helfen können, wenn Ihr Angehöriger unter verstärkten Schmerzen leidet. Und wie Sie am besten mit den schmerzbedingten Einschränkungen umgehen, die Sie ja oft mitbetreffen. Es kann schwierig sein, mit Veränderungen wie vermehrter Reizbarkeit, sozialem Rückzug oder gedrückter Stimmungslage umzugehen. Vielleicht verspüren Sie selbst manchmal ein schlechtes Gewissen oder auch Ärger. Und manchmal denken Sie sich vielleicht auch „Wo bleibe ich eigentlich?“.

Mit diesen Fragen und Überlegungen sind Sie nicht allein. Denn hartnäckige Schmerzen stellen nicht nur den Betroffenen, sondern auch sein Umfeld vor Herausforderungen. Dieses Kapitel will Ihnen Orientierung und konkrete Hilfestellung bieten.

Was sind überhaupt chronische Schmerzen?

Es ist erst einmal schwer zu verstehen, warum Menschen ständig oder oft Schmerzen haben, ohne dass man dafür eine klare Ursache erkennen kann. Denn gesunde Menschen kennen Schmerz nur als kurzes Signal, das vor einer Schädigung warnen soll. Man spricht dann von akuten Schmerzen. Akute Schmerzen werden durch Verletzungen oder neu aufgetretene Krankheiten ausgelöst und können meist gut behandelt werden.

Manchmal bleiben Schmerzen jedoch auch längere Zeit bestehen. Dann spricht man davon, dass die Schmerzen chronisch geworden sind. Hintergrund ist häufig eine Erhöhung der Reaktionsbereitschaft des Schmerzverarbeitungssystems im Gehirn und Rückenmark. An dieser Entwicklung, die schleichend verläuft, wirken in der Regel verschiedene körperliche, seelische und soziale Faktoren mit.

Wenn Schmerzen chronisch werden, verlagert sich meist auch der Behandlungsansatz: Während bei akuten Schmerzen die Behandlung der körperlichen Schmerzursache im Vordergrund steht, ist bei hartnäckigen Schmerzen meist ein ganzheitlicher bio-psycho-sozialer Ansatz erfolgreicher. Diese besteht meist aus einer Kombination von Bewegung, Entspannung, Medikamenten, vor allem aber auch einer Veränderung von ungünstigen Lebensgewohnheiten, Einstellungen und Umständen.

Welche Bedürfnisse und Wünsche haben Angehörige und Freunde?

Die wichtigste Botschaft ist: Suchen Sie aktiv das Gespräch miteinander und reden Sie mit Ihrem Partner oder Angehörigem auch über Ihre Belastungen und Wünsche im Zusammenhang mit den Schmerzen! Machen Sie sich Ihre eigenen Bedürfnisse und Grenzen bewusst und sprechen Sie mit Ihrem Partner darüber.

Chronische Schmerzen führen oft dazu, weniger „Qualitätszeit“ miteinander zu verbringen. Zeit und Energie sind oft knapper. Und vieles geht nicht mehr so wie vorher. Machen Sie sich gemeinsam auf die Suche, welche Aktivitäten mit der Schmerzerkrankung weiterhin miteinander möglich sind. Vielleicht können Sie gemeinsame Hobbys in abgewandelter Form wiederaufnehmen. (Möglicherweise gehen Radtouren aktuell besser als Wanderungen). Probieren Sie auch gemeinsam neue Wege aus: testen Sie Geocaching, Paartanz, ein E-Bike. Besuchen Sie einen Kochkurs, ein Fußballspiel oder Ihre Nachbarn. Schaffen Sie sich ein Haustier, einen Garten oder ein neues Hobby an. Gehen Sie gemeinsam in den Wald. Kurz: Seien Sie kreativ!

Nutzen Sie dazu gezielt schmerzarme oder schmerzfreie Zeiten, anstatt in diesen Phasen nur Dinge zu erledigen, die aufgrund der Schmerzen liegen geblieben sind.

Kümmern Sie sich aber auch um Ihre eigene seelische und körperliche Gesundheit. Sie dürfen Dinge, die gemeinsam mit Ihrem Partner oder Angehörigem zurzeit nicht möglich sind (z.B. längere Wanderungen), durchaus auch allein, mit Freunden oder im Verein unternehmen. Auf einen Ausgleich zu achten (auch jeder für sich), ist wesentlich, um dauerhaft die Herausforderungen zusammen zu bewältigen.

Und: Holen Sie sich Hilfe, wenn Sie sich stark oder dauerhaft belastet fühlen. Wenn beide einverstanden sind, können Sie Ihren Angehörigen zu seinem betreuenden Arzt begleiten und sich gemeinsam Rat einholen. Vielleicht bringt es Sie weiter, wenn sie das Gespräch mit anderen Mitbetroffenen suchen. Und zögern Sie bei Bedarf nicht, die psychologischen Angebote der kirchlichen (z.B. Caritas, Diakonie) oder städtischen Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen. Dort können Sie Einzelgespräche führen, aber auch Familien- oder Paarberatungen wahrnehmen.

Vor allem: Gehen Sie möglichst flexibel mit Ihrer gemeinsamen Situation um und vergessen Sie nicht, sich gegenseitig immer wieder zu sagen, was gut klappt und was Sie am anderen schätzen!

Was wünschen sich Betroffene von ihren Angehörigen oder Freunden?

Was Betroffene sich von ihrem Umfeld wünschen, wenn sie stärkere Schmerzen haben, ist sehr individuell. Am besten setzen Sie sich in einer schmerzarmen Zeit zusammen und besprechen, wie Sie gemeinsam am besten mit diesen Situationen umgehen.

Der größte Wunsch vieler Betroffener ist, sich gerade bei einer Schmerzverstärkung nicht allein gelassen zu fühlen. Und sich trotz der Einschränkungen, die mit den Schmerzen einhergehen, akzeptiert und wertgeschätzt zu fühlen. Was Betroffene hingegen gar nicht brauchen, ist ein „Schmerz-Polizist“, der Entscheidungen abnimmt oder Vorschriften macht („Lass das, das darfst du doch nicht!“).

Viele Betroffene wünschen sich z.B.

  • dass man für sie da ist (eventuell nur anwesend sein, mal in den Arm nehmen, telefonisch erreichbar sein, aber auch Rückzugsraum zulassen)
  • dass ihre Belastungsgrenzen („ich kann nicht so lange“ und „Es geht nicht so wie früher“) und sie selbst als Person mit den Einschränkungen akzeptiert werden
  • konkrete Unterstützung angeboten zu bekommen (z.B. bei Migräne für Ruhe im Haus sorgen und Medikament bringen, bei Rückenschmerzen eine Wärmflasche machen, Aufgaben im Haushalt übernehmen, Termine bei starken Schmerzen für den Betroffenen absagen)
  • zu angenehmen Aktivitäten und Ablenkung ermutigt zu werden (Spaziergänge, Schwimmen, Sauna, Film anschauen, Freunde treffen etc.)
  • nicht über-, aber auch nicht unterfordert zu werden
  • an den persönlichen „Schmerzwerkzeugkoffer“ (= bewährte Strategien) erinnert zu werden, wie z.B. TENS, Wärmesalbe, Akupressur, Dehnen, Medikament, ätherische Öle („Möchtest Du nicht XX probieren? Das hat Dir doch beim letzten Mal gut geholfen!“)
  • in der Selbstfürsorge unterstützt zu werden: „es ist ok / besser, wenn Du heute nicht zur Arbeit / zum Elternabend / Familienfest / Einladung etc. gehst“